Street-Fotografie ohne Gesichter – Mein Ansatz
Bruce Gilden geht nah ran, sehr nah. Mit seinem Blitz straight in your face, ungefiltert, konfrontativ. Seine Street-Fotografie zeigt dir alles: Die Falten, die Überraschung, die Emotionen. Meine Bilder zeigen dir auch alles, ausser Gesichter. Und das ist kein Zufall, sondern meine bewusste Entscheidung..
Bruce Gilden / Magnum Photos
Street-Fotografie ist mehr als Gesichter
Street-Fotografie dokumentiert das Leben, ungefiltert, spontan, so wie es ist. Seit Jahrzehnten halten Fotografen wie Henri Cartier-Bresson den "entscheidenden Moment" fest, diese eine Sekunde, in dem sich alles perfekt zusammenfügt.
Aber Street-Fotografie bedeutet nicht automatisch, dass Gesichter im Mittelpunkt stehen müssen. Es geht um das Leben, um spontane Momente, um Realitäten. Für mich um Momente, die einzigartig sind und so nie wieder kommen. Und all das lässt sich auch ohne sichtbare Gesichter erzählen.
Warum ich keine Gesichter zeige
Mein Ansatz, Gesichter zu vermeiden, basiert auf drei Punkten:
1. Die rechtliche Situation in der Schweiz
Das Schweizer Recht schützt das Recht am eigenen Bild sehr stark. Als Street-Fotograf bewegst du dich schnell in Grauzonen, wenn du Menschen erkennbar fotografierst und die Bilder veröffentlichst. Statt mich ständig selber zu stressen, oder Risiken einzugehen, habe ich mich damals für einen anderen Weg entschieden.
2. Respekt und Konfrontationsvermeidung
Als ich genauer darüber nachgedacht habe, habe ich gemerkt, dass ich selbst auch nicht ungefragt auf der Strasse fotografiert werden und dann später möglicherweise im Internet auftauche möchte. Diese Regel wende ich seitdem ziemlich konsequent an: Was ich für mich nicht will, mute ich auch anderen nicht zu. Ausserdem liegt mir Konfrontation nicht besonders, so kann ich dem gekonnt aus dem Weg gehen.
3. Vom Pragmatismus zum bewussten Stilmittel
Was anfangs aus praktischen Gründen begann, entwickelte sich zu meinem fotografischen Stil. Heute verstecke ich Gesichter nicht mehr nur, ich komponiere meistens bewusst ohne sie. Es ist zu meinem Stilmittel geworden, zu meiner Art, Street-Fotografie zu interpretieren.
Diese Art zu fotografieren verlangt andere Skills als der klassische Ansatz:
Komposition und Emotion ohne das Element Gesicht aufbauen
Mit Silhouetten, Schatten und Gegenlicht arbeiten
Den perfekten Moment auch ohne Gesichtsausdruck erkennen
BeispielE anderer
Dass Street-Fotografie auch ohne zentrale Gesichter funktioniert, zeigen verschiedenste Fotografen wie z.B. Billy Dinh, Joshua K. Jackson oder Peter Kalnbach, deren Arbeiten häufig (aber nicht immer) ebenfalls ohne sichtbare Gesichter auskommen. Sie alle beweisen, dass es verschiedene Wege gibt, das Leben auf der Strasse zu dokumentieren und nicht nur den klassischen.
Was ohne Gesichter passiert
Wenn das Gesicht nicht sichtbar ist, richtet sich die Aufmerksamkeit auf andere Elemente:
Die Körperhaltung erzählt Geschichten
Details werden elementar
Das Umfeld gewinnt an Wichtigkeit
Licht und Schatten werden zu Protagonisten
Menschen und Szenen werden dadurch nicht weniger interessant – sie werden universeller. Ein Rücken, eine Silhouette, eine Hand kann jeder sein.
Street-Fotografie, nur anders
Anders als am Beispiel von Bruce Gilden flüstern meine Bilder eher anstatt zu schreien. Sie laden ein, länger hinzusehen und Sachen selbst zu interpretieren. Diese Anonymität kann auch durchaus Raum schaffen.
Es ist nicht einfacher als klassische Street-Fotografie mit sichtbaren Gesichtern, es ist einfach anders. Und anders ist völlig legitim.
Fazit
Ich bin Street-Fotograf, ich fotografiere das alltägliche Leben, spontan und authentisch. Dass ich dabei keine Gesichter zeige, ist meine bewusste Entscheidung als Fotograf und Mensch.
Meine Bilder erzählen trotzdem Geschichten, einfach anders. Sie dokumentieren das Leben, nur eben auf meine Art. Und das ist völlig in Ordnung, solange die Bilder ehrlich sind und Momente festhalten, die sonst vergessen gehen würden.